Grundgesetzlich deutsch?

Nicht nur, dass der seit Jahrtausenden immer wieder prognostizierte Sprachverfall und sichere Untergang bisher ausgefallen ist, obwohl nichts bleibt, wie es ist. Nicht nur, dass die jeweilige Jugend – ohne Sitten, Ideen und Ehrgeiz – stets Anlass gibt zu schlimmsten Befürchtungen. (Sogar die Zahl der Jugendlichen, die rauchen und trinken, ist in diesem Jahr gesunken.)

Nein: Das ganze christliche Abendland hangelt sich von Untergangstermin zu Untergangstermin, wie Markus Gansel in seiner Chronik der (verpassten) Weltuntergänge zeigt.

Nun stehen uns schon wieder schwierige Zeiten und ein Jahr schlechter Nachrichten bevor. Hinzu kommt: Nicht einmal die deutsche Sprache scheint sicher; schließlich steht sie ja nicht im Grundgesetz.

Soll die deutsche Sprache also ins Grundgesetz?

Überflüssig, meint Norbert Robers in der WAZ:

[…] Oder wäre es, um ein eindeutiges sprachliches Zeichen zu setzen, doch sinnvoll, Deutsch als Staatssprache im Grundgesetz festzuschreiben? Nein, es wäre schlicht überflüssig. Weil der (durchaus gebotene) sorgsame Umgang mit der deutschen Sprache erstens nicht gesetzlich verordnet werden kann. Und weil das Grundgesetz zweitens in Artikel 3 bereits das Grundrecht auf Verwendung der deutschen Sprache festschreibt. Schließlich ist in diversen Verwaltungsgesetzen klar geregelt, welche Sprache man hierzulande sprechen muss, um seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten auszuüben: Deutsch. Das reicht.

Anatol Stefanowitsch erörtert auf dem Bremer Sprachblog, warum der aktuelle rechtliche Status des Deutschen nichts zu wünschen übrig lässt (mit weiteren Links und aktueller Diskussion).

Meine Meinung zu diesen Spiegelfechtereien:

1. Wer politisch etwas für die deutsche Sprache tun will, sollte Bildung (auch, aber nicht nur für Migranten) und Kultur besser fördern.
2. Eine Sprache hat nur dann Anziehungskraft, wenn ihre Sprecher und Schreiber in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft Chancen für die eigene Entwicklung sehen.
3. Die grundgesetzliche deutsche Bekenntnislyrik verstellt nur den Blick auf die eigentliche Krise.

Marion Kümmel ist Federwerkerin und freie Lektorin. Seit 2001 übernimmt sie Textdienstleistungen für Publikumsverlage, Agenturen, Unternehmen und Autor:innen. Sie redigiert Sachbücher und Fachtexte, wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie Texte aus Unternehmenskommunikation und Werbung. Auf der Website des Lektorats erfahren Sie mehr.

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