Skandal in Zahlen

Ein Skandal sind die Dioxinwerte in Fleisch und Eiern in jedem Fall. Dennoch hätten die Faktenprüfer bei SPON hier besser nachrechnen sollen:

Nach Angaben des Umweltministeriums in Kiel vom Samstag lagen sieben von acht Testwerten über dem Limit. Mindestens eine Probe überschritt dabei den zulässigen Grenzwert fast um das 73-fache [sic!].

Die acht Proben erreichten nach Ministeriumsangaben Belastungen zwischen 0,39 und 54,67 Nanogramm. Erlaubt sind maximal 0,75 Nanogramm. (Quelle: SPON, 09.01.2011)

Die höchste Belastung lag bei 54,67 Nanogramm, geteilt durch 0,75 Nanogramm (zulässiger Grenzwert) = 72,89 (gerundet also 73). Zutreffende (und orthografisch korrekte) Aussagen wären demnach:

  • Mindestens eine Probe enthielt fast das 73-Fache der zulässigen Höchstmenge.
  • Bei mindestens einer Probe war der Dioxingehalt fast 73-mal (oder 73 Mal) so hoch wie zulässig.

Wenn man bei der oben gewählten Formulierung bleiben will:

  • Mindestens eine Probe überschritt dabei den zulässigen Grenzwert fast um das 72-Fache.

Das ist ein sehr typischer Fehler im Umgang mit Statistikangaben, der sich selbst in wissenschaftlichen Arbeiten wiederfindet. Bei Formulierungen mit »überschreitet um« rechne ich deshalb immer nach (Berufskrankheit).

Merke:

Wenn B das x-Fache von A* (oder: B = x · A) ist, so gilt:
B überschreitet/übersteigt A um das (x–1)-Fache.

* A wäre im Beispiel der Grenzwert für Dioxin.

Marion Kümmel ist Federwerkerin und freie Lektorin. Seit 2001 übernimmt sie Textdienstleistungen für Publikumsverlage, Agenturen, Unternehmen und Autor:innen. Sie redigiert Sachbücher und Fachtexte, wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie Texte aus Unternehmenskommunikation und Werbung. Auf der Website des Lektorats erfahren Sie mehr.

1 Kommentar

  1. Dieser feststellung muss ich leider zustimmen – der umgang mit zahlen in den medien ist mehr als schludrig. Besonders schlimm ist das mit prozent-angaben. Was ist die basis des wertes?. Oft fällt mir dazu auch der spruch eines professors an der HTL vor 50 jahren ein: überrriebene genauigkeit (zb etliche dezimalstellen) zeugt von unkenntnis der sachlage.
    Immerhin wird bei (steuer-)erhöhungen doch gelegentlich von 7 prozent-punkten (statt nur von prozenten) gesprochen und damit klargestellt, dass sich der prozent-wert (von zb 7% auf 14%) erhöht hat und nicht der basis-wert von 7 auf 14 (was ja 200% wären).
    Auch grafiken, welche numerische werte darstellen sollen, spotten oft jeder vernünftigen interpretation: da werden perspektiven eingeführt oder nur der obere bereich der werte gezeigt – alles wohl nur zum zweck, die dramatik der aussage zu verstärken!

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