Neue Textformen statt nur E-Books?

Auf SpON überlegt Konrad Lischka heute, welche Geschichten das Kindle braucht. Anders formuliert: Warum ist im Zusammenhang mit den angekündigten Lesegeräten (Amazons Kindle, Sonys E-Book-Reader) eigentlich immer nur von Büchern die Rede?

Sehr lange Texte gedruckt und gebunden zu verkaufen, war viele Jahrzehnte lang ein erfolgreiches Geschäftsmodell. […] So hat das in den vergangenen Jahrzehnten funktioniert, weil es für Verlage, Buchhändler und alle anderen Beteiligten am einfachsten war, zweimal im Jahr eine kleine Auswahl Romane als gebundenes Buch für knapp 20 Euro zu verkaufen.

Das war nicht immer so: Autoren wie Nikolai Gogol, Guy de Maupassant, Edgar Allan Poe und Anton Tschechow waren berühmt für ihre Kurzgeschichten und Erzählungen. Und die sind zuerst oft in Zeitschriften und Zeitungen erschienen – als kurze, schnelle, unterhaltende Lektüre für einen Abend.

Die neue elektronische Vermarktung könnte kleinen Textformen, die im heutigen Literaturbetrieb kaum eine Chance haben, neue Möglichkeiten eröffnen. Das käme gleichzeitig dem veränderten Leseverhalten vieler entgegen.

Die Stiftung Lesen in Mainz stellte in ihrer Studie »Lesen in Deutschland 2008« fest, dass Jugendliche und Erwachsene in Deutschland immer weniger Bücher lesen. Das heißt ja keineswegs (wie häufig verkürzt behauptet wurde), dass weniger gelesen wird. Es wird vielmehr anders und anderes gelesen. Es ist also Zeit zu überlegen, mit welchen Produkten und Textformen diese Leser zu erreichen sind.

Lischka schlägt vor, es mit Kurztexten wie Fortsetzungsromanen, Kurzgeschichten oder Heftchengeschichten zu versuchen. Sein Fazit:

Ob das als Produkt funktioniert, weiß niemand. Und das wird auch nie jemand erfahren, solange Verlage online ausschließlich in buchhandelskompatiblen Textformen denken.

Ich hätte noch mehr Textwünsche fürs elektronische Lesegerät. Das wäre doch eine feine Alternative für alles, was ich fern vom Schreibtisch nur selektiv lesen möchte und nicht im Bücherregal brauche: Unterhaltungsliteratur, die meisten Sachbücher, Zeitungen und Zeitschriften …

Endlich keine halb gelesene und vorwurfsvoll herumliegende ZEIT mehr, die ich irgendwann doch entsorge. Keine ausgelesenen Paperbacks mehr, die nur deshalb die Regale verstopfen, weil ich keine Bücher wegwerfen kann.

Aber Die Unsterblichkeit und Das verborgene Wort hätte ich aktuell auch dann in Papierform auf dem Nachttisch, wenn sie hierzulande schon als E-Books zu haben wären.

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Marion Kümmel ist Federwerkerin und freie Lektorin. Seit 2001 übernimmt sie Textdienstleistungen für Publikumsverlage, Agenturen, Unternehmen und Autor:innen. Sie redigiert Sachbücher und Fachtexte, wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie Texte aus Unternehmenskommunikation und Werbung. Auf der Website des Lektorats erfahren Sie mehr.

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