Wer gelesen werden will, bemüht sich um Verständlichkeit. Brauchbares Handwerkszeug dafür hat die Verständlichkeitsforschung in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Die deutsche Kanzlei- und Verwaltungssprache aber erweist sich bisher als resistent gegenüber solchen Einflüssen. Man denke nur an Wortschöpfungen wie das legendäre
Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (RflEttÜAÜG)
oder das nicht weniger klare
Kindertagesbetreuungsausbaugesetz (TAG),
das keiner unserer Volksvertreter unfallfrei auszusprechen vermochte.
Unter dem Titel »Verständlichkeit als Bürgerrecht? Die Rechts- und Verwaltungssprache in der öffentlichen Diskussion« fand am 1./2. November 2007 ein öffentliches Symposion statt. Veranstalter war die Gesellschaft für deutsche Sprache in Zusammenarbeit mit dem Germanistischen Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Aus den Tagungsberichten (nicht mehr online) ist unter anderem zu erfahren, dass das Bundesministerium für Justiz und die Gesellschaft für deutsche Sprache seit 2007 in einem Projekt »Verständliche Gesetze« die Zusammenarbeit im Gesetzgebungsverfahren erproben. In der Schweiz hat man mit einer solchen begleitenden Sprachberatung bereits positive Erfahrungen gemacht.
Die Fachvorträge des Symposions sollen im Herbst 2008 zur Frankfurter Buchmesse in der Reihe »Thema Deutsch« (Band 9) im Dudenverlag erscheinen.
Ja. Richtig. Die deutsche Amtssprache muss entmüllt werden, damit sie verständlich wird. Aber diese Uni-Tagungsberichte sind a u c h recht dröge geschrieben. Da schläfst du nach dem vierten Absatz ein, weil sie nicht die Kunst der Auslassung und der Verdichtung beherrschen. Jeder Vortrag wird runtergenudelt. Verständlich schreiben heißt auch, ohne Umstände zum Punkt zu kommen und die Redundanzen zu vermeiden.
*ächzt
@ Christiane Geldmacher
Stimmt. Aber ob das nur an der fehlenden Kunstfertigkeit liegt? Wenn ein Schreiber sich nicht die Mühe macht, Texte inhaltlich und sprachlich aus Empfängersicht zu bearbeiten, kann das an seinem Unvermögen liegen. Viel häufiger steckt aber wohl etwas anderes dahinter: ein Mangel an Interesse, gelesen und verstanden zu werden. Der scheint bei den Tagungsberichten ebenso wie bei Rechts- und Verwaltungstexten ungleich größer zu sein als etwa bei journalistischen Texten, bei Lehr- oder Sachbüchern. Weil der Markt in den Amtsstuben nichts regelt, werden die alten Zöpfe weiter gepflegt und gepudert. Da halte ich die verbindliche begleitende Sprachberatung für eine gute Idee.
Jeder, der für die Öffentlichkeit schreibt, müsste dazu verdonnert werden, verständlich schreiben zu lernen. Mit griffiger Überschrift, Zwischenüberschriften, Vorspann, Textkörper und Fazit. Da könnte man übrigens schon in der Schule anfangen. Die Schüler nicht nur Erörterungen über Brentano und Tieck hinzimmern lassen, sondern RAUSSCHICKEN und anschaulich berichten lassen. Über die Kulturpolitik, die Gesundheitsreform, Hartz IV.
Aber wenn die Vorbilder Habermas heißen …
*fängt sich ab