Duden Rechtschreibung in 28. Auflage erschienen

Am 12. August 2020 ist »der Duden« (Band 1 der Duden-Reihe) in der 28. Auflage erschienen. Als ausschlaggebend für den Termin werden die Wortschatzentwicklung der letzten Jahre, das Thema Gleichstellung der Geschlechter und die Neuausgabe der DIN 5008 vom April 2020 genannt. Ich habe mir diese drei Schwerpunkte näher angesehen. Und natürlich die Rechtschreibung.

Neues in der Rechtschreibung?

In der amtlichen Rechtschreibung gab es seit 2016 keine Veränderungen. Dennoch wurden die Dudenregeln überarbeitet und die Handhabbarkeit im Detail weiter verbessert. Aufgefallen ist mir bislang:

  • Bei formalen und typografischen Fragen wird noch regelmäßiger als bisher auf den entsprechenden Abschnitt verwiesen (bei Abkürzungen, Anführungszeichen, Schrägstrich usw.); nur im Einzelfall fehlt der Verweis (zum Beispiel beim Gedankenstrich).
  • Zwischenüberschriften wurden um das jeweilige Schlagwort ergänzt. Folgte bislang zum Beispiel auf »Apostroph« die Zwischenüberschrift »Bei Auslassungen«, lautet sie nun »Apostroph bei Auslassungen«. Das erleichtert das Erfassen nicht nur bei digitalen Texten und Verweisen.
  • Zusätzliche Redundanz erleichtert das Suchen (und Finden): Zusammensetzungen aus Substantiv und Adjektiv (Moskau-freundlich) etwa gehören zu den sprachlichen Zweifelsfällen, sobald sie (optional) mit Bindestrich geschrieben werden. Beispiele stehen nun zusätzlich im Abschnitt »Bindestrich« unter D 22 (Cloud-basiert, Putin-kritisch), bislang fanden sich Beispiele schon in vier Dudenregeln.
  • Im Abschnitt »Komma« ist die Nummerierung und Anordnung der Dudenregeln verändert. Sie scheint nun stärker der Anordnung im Überblick am Beginn des Abschnitts zu folgen. Die Zahl der Regeln insgesamt blieb gleich, die Formulierung meist auch.

Geschlechtergerechter Sprachgebrauch

Die Entwicklung des gendersensiblen Sprachgebrauchs wird seit Jahren auch von der Dudenredaktion beobachtet und dokumentiert. Der Duden 9 (Wörterbuch der sprachlichen Zeifelsfälle) bietet mindestens seit 1997 (4. Auflage) einen Abschnitt »Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache«, 2016 (8. Auflage) wurde er erweitert unter dem Stichwort »geschlechtergerechter Sprachgebrauch«.

Nun gibt auch der Duden Rechtschreibung einen kurzen und sachlichen Überblick über die sprachlichen Möglichkeiten, der etwa dem Ratgebertext auf der Website entspricht. Diese »Momentaufnahme« hat ihren vorläufigen Platz im Anschluss an den Regelteil Rechtschreibung gefunden, steht aber ohne Dudenkennzahl und außerhalb der alphabetischen Ordnung dieses Teils.

Die Leiterin der Dudenredaktion, Dr. Kathrin Kunkel-Razum, sagt im Interview:

»Wir haben zum einen Begriffe wie ›Genderstern‹ oder ›Gendersternchen‹ in das Stichwörter­verzeichnis aufgenommen. Dazu kommen die drei Seiten zur geschlechter­gerechten Sprache im weiteren Teil – ich vermeide bewusst das Wort ›Regelteil‹, weil sofort der Eindruck entsteht, dass wir da Regeln zur geschlechter­gerechten Sprache verordnen. Das tun wir auf gar keinen Fall!«

Quelle: Gendern im Duden: Von Begeisterung bis hin zur totalen Ablehnung. In: FR online [20.08.2020].

Die Dudenredaktion stellt fest, dass sich aktuell die Variante mit Gendernstern in der Schreibpraxis immer mehr durchsetzt. In den Duden-Texten selbst sind außerhalb dieses Abschnitts die genderneutralen Alternativen zu Personenbezeichnungen verwendet. So wurden aus den Unterzeichnern (2017) nun Unterzeichnende, aus Anleitung für Korrektoren und Setzer wurde Anleitung für Korrektorate und Setzereien.

Die formale Gestaltung von Texten

Dieser Abschnitt befindet sich seit der 23. Auflage (2004) in einer Transformation. Da die Überschrift erneut verändert ist, habe ich mir den Abschnitt genauer angesehen.

Bis zur 21. Auflage (1996) unterschied der Duden »Richtlinien für den Schriftsatz« und »Hinweise für das Maschinenschreiben« (nach DIN 5008).

Seit der 23. Auflage (2004) sind die beiden Regelbereiche in einem gemeinsamen Abschnitt »Textverarbeitung […]« zusammengefasst. Der Begriff »Textverarbeitung« wird dabei als Oberbegriff für »Satzsysteme« und »moderne Textverarbeitungssysteme« (Schriftsatz) verwendet. Gleichzeitig und im Widerspruch dazu wird »Textverarbeitung« mit der DIN 5008 assoziiert, die den Begriff seit 1996 im Titel führt.

In der 28. Auflage (2020) nun ist der Abschnitt unter dem Titel »Die formale Gestaltung von Texten« punktuell fortgeschrieben, insbesondere sind die vereinfachten Bezeichnungen aus der DIN 5008 (Kurzstrich für Divis, Langstrich für Halbgeviertstrich) als Synonyme eingefügt. Die Unterschiede zwischen den beiden Regelbereichen Schriftsatz und DIN 5008 werden weiterhin nicht immer klar.

Zum Beispiel heißt es einleitend (Seite 115): »Für die Text- und Informationsverarbeitung gelten die Schreib- und Gestaltungsregeln der DIN 5008, die in der Regel angeführt werden, wenn sich Abweichungen zwischen den normativen Inhalten der DIN 5008 und den allgemeinen Richtlinien für den Schriftsatz ergeben.« Im Text wird jedoch umgekehrt »Text- und Informationsverarbeitung« mitunter als Gegensatz zur DIN 5008 verwendet (zum Beispiel unter »Datum«).

Wer diesen Duden-Abschnitt zu einer Frage nach typografischen Abständen konsultiert, bleibt oft ratlos. Unter »Gradzeichen« und »Paragrafzeichen« sowie »Zahlen« etwa werden ein »kleinerer Zwischenraum (Festabstand, geschütztes Leerzeichen)« und ein »ganzes Leerzeichen« gegenübergestellt. Tatsächlich ist das geschützte Leerzeichen ein »ganzes Leerzeichen« mit einer Trennsperre. In der Textverarbeitung (DIN 5008) wird jedoch statt des kleinen Zwischenraums ebenfalls ein geschütztes Leerzeichen verwendet.

Zu einer vereinfachten Empfehlung hat sich die Dudenredaktion bei Fügungen mit dem Prozentzeichen entschlossen. Bisher entfiel der Zwischenraum nur bei Ableitungen (ein 25%iger Umsatzrückgang). Nun wird generell empfohlen: »Der Zwischenraum entfällt bei Zusammensetzungen und Ableitungen« (die 5%-Klausel, ein 25%iger Umsatzrückgang).

Neu in den Duden aufgenommene Wörter

Wo der Duden vorgestellt oder erwähnt wird, geht es meist um die Aufnahme von Wörtern in das Wörterverzeichnis, es sollen 3000 Neuzugänge sein. 300 Wörter stehen nach Angaben des Verlages nicht mehr in der Print-Ausgabe, bleiben aber im Verzeichnis auf duden.de.

Die kleine Auswahl spiegelt wichtige Themen der vergangenen Jahre, zeigt aber auch, dass viele Aufnahmen (siehe Fachkräfte-) nur Zusammensetzungen sind, die aus Sicht der Rechtschreibung unproblematisch sind.

Abbiegeassistent • Abbiegeassistenzsystem • Alltagsrassismus • Bonpflicht • cloudbasiert • Covid-19 • Datenschutz­grundverordnung • Datensouveränität • Dieselaffäre • Digitalpakt • Disruption • Fachkräftebedarf • Fachkräfte­einwanderung • Fachkräfte­einwanderungsgesetz • Fachkräftemangel • Fachkräfte­nachwuchs • Fachkräfte­zuwanderung • Fachkräfte­zuwanderungsgesetz • Femizid • Fridays for Future • Gender-Gap • Gender-Pay-Gap • genderfluid • gendergerecht • genderneutral • genderqueer • Genderstern • Gendersternchen • Gesichtserkennung • Gesichtserkennungs­software • Gesundheits­notstand • Klimakrise • Klimanotstand • Ladesäule • Mikroplastik • Mund-Nase[n]-Schutz • Mund-Nasen-Schutz • plastikfrei • Rentenkürzung • Reproduktionszahl • Social Distancing • Tiny House • transgender • Uploadfilter • Zwinkersmiley

Fortsetzung folgt

Das sind meine ersten Eindrücke von der 28. Auflage des Rechtschreib-Dudens. Haben Sie weitere Veränderungen bemerkt? Ich freue mich über Hinweise in den Kommentaren.


Duden 1. Die deutsche Rechtschreibung: Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der amtlichen Regeln. 28. Auflage, Berlin 2020.

1296 Seiten, 28,00 Euro | ISBN 978-3-411-04018-6


Titelbild: Pressematerial des Dudenverlags.

Zum Weiterlesen

Mehr zur 28. Auflage des Dudens

Marion Kümmel ist Federwerkerin und freie Lektorin. Seit 2001 übernimmt sie Textdienstleistungen für Publikumsverlage, Agenturen, Unternehmen und Autor:innen. Sie redigiert Sachbücher und Fachtexte, wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie Texte aus Unternehmenskommunikation und Werbung. Auf der Website des Lektorats erfahren Sie mehr.

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