Gewinne und Verluste

[Aktualisierung: 17. August 2020]

Wie schreiben Sie: »Gewinn-und-Verlust-Rechnung« oder »Gewinn- und Verlustrechnung«? Das ist ein zuverlässiger Stolperstein in Geschäftsberichten und nicht nur eine Frage der aktuellen Rechtschreibregelung.

Rechtschreibregeln

Für die Schreibungen mit Bindestrichen kommen nach der amtlichen Rechtschreibung zwei Regeln infrage, die so auch schon vor der Rechtschreibreform galten.

Durchkopplungsbindestrich

Man setzt einen Bindestrich zwischen allen Bestandteilen mehrteiliger Zusammensetzungen, in denen eine Wortgruppe oder eine Zusammensetzung mit Bindestrich auftritt […]
(§ 44 im Abschnitt C, Schreibungen mit Bindestrich)

Beispiele:
3-Raum-Wohnung, Burn-out-Syndrom, Lese-Rechtschreib-Störung, Berg-und-Tal-Fahrt, Drei-Gänge-Menü, Einnahmen-Überschuss-Rechnung (Übersichtliche Fügungen dieser Art können auch zusammengeschrieben werden: Dreiraumwohnung, Dreigängemenü, Einnahmenüberschussrechnung.)

Ergänzungsbindestrich

Mit dem Ergänzungsstrich zeigt man an, dass in Zusammensetzungen oder Ableitungen einer Aufzählung ein gleicher Bestandteil ausgelassen wurde, der sinngemäß zu ergänzen ist.
(§ 98 im Abschnitt E, Zeichensetzung)

Beispiele:
Ein- und Ausgang (für: Eingang und Ausgang), Früh- und Spätschicht, Hin- und Rückfahrt.

Unterschied in der Bedeutung

Handelt es sich also um eine Rechnung über Gewinne und Verluste (das heißt, wird »Rechnung« durch die Wortgruppe »Gewinne und Verluste« näher bestimmt) – so müsste mit Durchkopplungsbindestrich geschrieben werden.

Könnte man sinnvoll ergänzen »Gewinnrechnung und Verlustrechnung«, so wäre die Schreibung mit Ergänzungsbindestrich zu wählen.

Geschäftsberichte beziehen sich stets auf § 242 im Handelsgesetzbuch (HGB). Dieser besagt, dass der Kaufmann zum Ende eines Geschäftsjahres neben der Bilanz »eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs« aufstellen muss (vgl. § 242 HGB).

Auf dem Existenzgründerportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) heißt es: »Die GuV ist zusammen mit der Bilanz Teil des Jahresabschlusses. Sie stellt Einnahmen und Ausgaben innerhalb einer bestimmten Rechnungsperiode gegenüber […].«

Wer schreibt wie?

Obwohl der Text von § 242 HGB den Durchkopplungsbindestrich nahelegt, da es sich nur um eine Gegenüberstellung bzw. Rechnung handelt, steht dort (in vorreformierter Rechtschreibung):

(2) Er hat für den Schluß eines jeden Geschäftsjahrs eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs (Gewinn- und Verlustrechnung) aufzustellen.
(3) Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung bilden den Jahresabschluß.

Der DUDEN schreibt »Gewinn-und-Verlust-Rechnung« – im Leipziger Duden 1987, im Mannheimer Duden 1991 und bis zum aktuellen Duden von 2020 (28. Auflage). Das Wörterverzeichnis der aktuellen amtlichen Rechtschreibung (Stand: 2016) enthält das Stichwort nicht.

Vergleichbare Fälle

Wenn eine mit »und« verbundene Wortgruppe ein Grundwort näher bestimmt (mit diesem also eine Zusammensetzung bildet), entscheidet sich der aktuelle Duden in der Regel für den Durchkopplungsbindestrich (weitere Beispiele hier im Federwerk):
Katz-und-Maus-Spiel,
Nacht-und-Nebel-Aktion
.

Das Gegenstück zur GuV für den Freiberufler, die Einnahmen-Überschuss-Rechnung, schreibt das amtliche Formular für 2009: Einnahmenüberschussrechnung (Anlage EÜR nach § 4 EStG).

Nach allgemeinem Schreibgebrauch (und Duden) werden aber eine Reihe von Fügungen dieser Art dennoch nur mit einem Bindestrich geschrieben:
Buß- und Bettag,
Dreh- und Angelpunkt,
Haupt- und Staatsaktion,
Heil- und Kostenplan
(nicht im Duden),
Industrie- und Handelskammer,
Mahn- und Gedenkstätte
(nicht im Duden),
Maul- und Klauenseuche,
Forschungs- und Entwicklungsabteilung
(nicht im Duden),
Wach- und Schließgesellschaft.

GuV im Schreibgebrauch

Auch wenn der Duden Gewinn-und-Verlust-Rechnung vorschlägt, findet man häufig die ältere Form Gewinn- und Verlustrechnung nach HGB-Text.

Hier hat der Schreibgebrauch eine Form fest etabliert – und der Duden hat diese (bereits vor der Reform von 1996) nicht berücksichtigt. Das HGB stammt von 1897 und trat 1900 in Kraft. Auf eine amtliche Rechtschreibung verständigte man sich 1901, und selbst da waren Getrennt- und Zusammenschreibung (inkl. Bindestrich­schreibung) und Zeichensetzung noch nicht Teil dieser Regelung.


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Zum Weiterlesen

Marion Kümmel ist Federwerkerin und freie Lektorin. Seit 2001 übernimmt sie Textdienstleistungen für Publikumsverlage, Agenturen, Unternehmen und Autor:innen. Sie redigiert Sachbücher und Fachtexte, wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie Texte aus Unternehmenskommunikation und Werbung. Auf der Website des Lektorats erfahren Sie mehr.

6 Kommentare

  1. … im vergangenen Jahr habe ich »Gewinn-und-Verlust-Rechnung« und die Umstellung zu »GuV des Konzerns« vorgeschlagen, »Konzern-Gewinn-und-Verlustrechnung« wäre ja aber zur Not auch gegangen.

    In diesem Jahr blieb die »Gewinn- und Verlustrechnung« auf Kundenwunsch stehen. Nur die Konzern-GuV habe ich umgestellt. Mal sehen, was draus wird … :wink:

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